Zurück im Leben und auf in die nächste Klinik.
Zurück im Leben.
Gleich die Woche nach meiner Entlassung fing ich an wieder bei meinem Vater in der Firma zu arbeiten. Jedoch wollte ich nicht wieder ins Büro, da ich dort eine sehr monotone Arbeit hatte und wusste, dass würde nicht gut tun. Nicht jetzt. Also wollte ich ins Lager, einfach mal gucken & ausprobieren. Angesetzt war erstmal eine Woche um zu gucken ob das was für mich wäre. Das war es! Es war ganz anders als ich es vorher gewohnt war. Auch anstrengender, klar. Ich blieb. Ich konnte wieder was neues Lernen, hatte ein neues Umfeld, war motiviert und es war körperlich anstrengend, was mir wirklich gut tat. Es war interessant mal eine andere Seite der Arbeit kennen zu lernen.
Meine Eltern bestanden jedoch weiterhin darauf, dass ich nochmal in eine Tages Klinik gehen sollte, die in Aschaffenburg. Ich verstand nicht wirklich wieso, mir ging es doch gut. Aber gut ich dachte mir so ja ich schaue mir mal an, red mit denen dort und dann seh ich weiter.
Nach dem Gespräch mit dem Arzt dort gab es die darauffolgenden Wochen immer wieder ein Gespräch und irgendwie hatte ich dann ein Aufnahme Termin im Dezember.
Naja gut und dann war es soweit. Um ehrlich zu sein, weiß ich garnicht WIE es soweit kam. Mir ging es doch gut nach dem zweiten mal in der Betty. Wieso war ich denn jetzt schon wieder in einer Klinik? Zuerst verstand ich es nicht doch innerhalb von wenigen Tagen war es mir klar. Diesmal ging es garnicht um die Sucht. Diesmal ging es um die Depression, um Borderline und die Posttraumatische Belastungsstörung. Es ging um meine Zukunft, darum, dass ich wieder Halt finden würde & darum dass ich mir Ziele setzte. Was mir die ganze Zeit nicht klar gewesen war, war dass ich mir nie so richtig irgendwelche Ziele gesetzt hatte. Ich lebte nur im Hier und Jetzt ohne mir Gedanken über meine Zukunft zu machen. Anscheinend hatten meine Eltern das erkannt, weshalb sie mir ja auch Nahelagen in die Tagesklinik zu gehen. Jetzt verstand ich es. Also ließ ich mich darauf ein.
Die ersten Tage fühlte ich mich sehr unwohl. Ich hatte das Gefühl jeder in meiner Gruppe war nur am Jammern und hatte immer was auszusetzen, sogar beim Mittagessen.
So mal kurz zur Allgemeinen Tagesstruktur:
Da gab es so verschiedene Gruppen. Jeder war einer festen Gruppe zugeteilt und jede Gruppe hatte auch einen eigenen Gruppenraum.
Der Tag fing um 8:45 Uhr mit einer Morgenrunde an. Da kam eine uns zugeteilte Krankenschwester in unseren Gruppenraum und fragte uns erstmal nach unserem Befinden. Wie wir geschlafen hatten, was wir gestern Nachmittag noch gemacht hatte und wie es uns jetzt in dem Moment geht. Nachdem jeder berichtet hatte wurde der Tag besprochen, was geplant war und ob es Besonderheiten oder spezielle Termine gab.
Wir bekamen auch zu Anfang einen Wochenplan der eigentlich jede Woche gleich war.
Der Tag ging von 8:45 Uhr bis ca. 16:00 Uhr.
Montag: Morgenrunde. Montags war unser Kochtag. Das heißt wir überlegten uns was wir mittags kochen wollten, machten einen Plan und eine Einkaufsliste, gingen dann einkaufen und kochten schließlich zusammen als Gruppe. So war der Montag Vormittag/Mittag gefüllt. Dann gab es eine Mittagspause und danach hatten wir einen Programmpunkt der "Gruppenaktivität" hieß. 2 Stunden wo wir selber entscheiden konnten was wir als Gruppe machten. Wir spielten Dart oder gingen Spazieren oder sonst was. War immer recht entspannt. Sollte wohl die Gruppendynamik stärken. Danach gab es noch eine Indikativgruppe Körperwahrnehmung. Um ehrlich zu sein, weiß ich echt nicht mehr was wir da gemacht hatten... gar keine Ahnung mehr.
Dienstag: Morgenrunde. Gruppenpsychotherapie. Das heißt wir saßen alle in einem Kreis (meistens) und sprachen über ein bestimmtes Thema. Oft etwas was uns derzeit beschäftigte. Halt so ne ganz normale Gruppentherapie. Danach folgte kognitives Training. (Ich habe gehasst) da saßen wir am PC und mussten Über so ein Programm verschiedene Übungen machen. Nicht besonders spannend. Sollte unsere generellen kognitiven Fähigkeiten verbessern und stärken. Dann Mittagessen & Pause. Als letzten Programmpunkt für den tag gab es Ergotherapie. Mein persönlicher Lieblingsprogrammpunkt.
Mittwoch: Morgenrunde. Bewegungsgruppe. Kann mich auch nicht mehr so wirklich an diesen Programmpunkt erinnern...Naja dann gab wieder Ergotherapie und parallel Arzt Visite und kurz danach Einzelgespräch beim Psychologen. Dann Mittagessen & Pause, danach Psychoedukation. Da kam der leitende Arzt und hat uns über irgendein psychologisches Thema aufgeklärt also über ne psychische Krankheit. Und zum Schluss Achtsamkeitsgruppe. Da haben wir meist irgendwelche Übungen gemacht zum Thema Achtsamkeit halt und manchmal auch sehr theoretisch drüber gesprochen.
So ein bisschen wie Schule was das alles manchmal
Donnerstag: Morgenrunde. DBT - Dialekt Behaviorales Training. Sehr sehr schwierig zu erklären wenn ich ehrlich bin...Das war auch voll wie Schule. Da wurden wir irgendwie aufgeklärt über sonst was, sollten selber auch was erzählen und meist gab halt auch ein Thema. Übungen im verschiedensten Stil waren auch dabei. Dann wieder Ergotherapie. Mittagessen & Pause. Und nun eine Wahlgruppe. Es gab verschiedene Gruppen zur Auswahl. Da ich ja damals so viel zugenommen hatte war ich in der Ernährungsgruppe. Hatte auch Einzeltermine bei der Ernährungsberaterin und eben die Gruppe. Hab nichts wirklich dazu gelernt. Kannte schon alles durch mein Fitness-Lifestyle den ich einst geführt hatte.
Freitag: Morgenrunde. Gruppentherapie, Bedarfsvisite, Entspannungsgruppe. Da gab einen extra Entsapnnungsraum wo wir z.B Traumreisen, Progressive Muskelentspannungen oder sowas gemacht haben. Manchmal gingen wir danach noch spazieren. Mittagessen & dann durften wir auch schon gehen bzw. wir mussten meist noch bis 13:30 Uhr warten bis wir unsere Medikamente fürs Wochenende bekamen.
Generell alle Medikamente bekamen wir von dort, die ganze Woche über.
Also jaa...ich musste mich wirklich da erstmal einleben in diese Gruppe. Ich musste mich irgendwie auch an das neue Umfeld gewöhnen. Ich fühlte mich zu Anfang sehr unwohl und sprach auch mit keinem. Aufeinmal war ich wieder total in mich gekehrt & zurückhaltend. Ganz anders als die letzten Wochen. Ich war verunsichert. Doch die Mädels (Wir waren eine reine Mädelsgruppe) nahmen mich sehr schnell auf, sprachen mich an und zeigten mir, dass es okay war hier zu sein. Je mehr wir uns dann unterhielten und alle von sich preis gaben desto wohler fühlte ich mich. Auch eine Raucherin war dabei, die mir oder ich ihr beim rauchen Gesellschaft leistete. Und os kam man eben ins Gespräch und nach ner Woche fühlte ich mich schon pudelwohl und wusste ich war am richtigen Ort.Durch all die Themen die dort angesprochen wurden und die Tatsache dass mir vermittelt wurde, dass es okay ist sich nicht gut zufühlen, kam einiges in mir hoch. Ich entspannte mich und dadurch kam viel Trauer, Wut, Unisicherheit und Hoffnungslosigkeit wieder hoch. Vieles was ich verdrängt hatte kam jetzt wieder zum Vorschein. Aber das war gut weil nur so konnte ich meine Probleme angehen und einiges erkennen. Seltsamerweise entwickelte sich dann eine Angst die echt kein Spaß war. Ich hatte Angst raus zu gehen. Ich sah immer nur Worst-Case-Scenarios. Also Unfälle mit dem Fahrrad, Auto, zu Fuß, mit der Bahn ganz egal. Mir kamen Bilder vor Augen die einfach grausam waren. Ich wollte nicht raus. Ich wollte sicher sein. Draußen fühlte ich mich nicht mehr sicher. Und so kam auch die ein oder andere Panikattacke daher....einfach weil ich mich so hochschaukelte und da so reinsteigerte. Gott sei dank konnte ich das dort gut behandeln. Ein für mich positiver Nebeneffekt der Panik war Tavor. Mein Arzt verschrieb mir Tavor. Ich könnte es nehmen wenn es ganz schlimm war...war nur dann ziemlich oft ziemlich schlimm.
So und da aufeinmal so viel aufgewühlt wurde, ich so hart darum kämpfte keine Drogen zu konsumieren oder Alkohol zu trinken, griff ich zu etwas wo ich dachte es wirklich für immer losgeworden zu sein. Ritzen
Das Ritzen wurde wieder zu meinem geheimen Zufluchtsort. Zu meiner Aktivität, die mich aus der Realität rettete. Ich kaufte mir Rasierklingen und versteckte alle 10 Stück verteilt in meinem Zimmer. Ich schrieb auch unglaublich viel Tagebuch wieder. Mir ging es generell einfach wirklich scheiße. Doch ich ließ es zu. Besprach es in der Tagesklinik und ließ mich irgendwie davon leiten. Ich öffnete mich der Gruppe und erzählte ways bei mir so grad abging. Mir wurde Verständnis entgegengebracht und dann kamen deren Stories die irgendwie ähnlich waren wie meine. Das war wirklich Balsam für die Seele. Zum ersten mal fühlte ich mich nicht allein. Ich fühlte mich Normal.
Da es mir so schlecht ging und ich wusste ich würde am Wochenende hauptsächlich alleine sein, ging ich übers Wochenende immer zu meiner Schwester. Durch meine Neffen hatte ich Dauer Beschäftigung und ich konnte Zeit mit meiner Schwester verbinden & Sie auch etwas entlasten indem ich mit den Kids spielte. Ich konnte mich dort aber auch zurück ziehen. Meine Schwester hat ja alle möglichen Mal- und Bastelsachen wo ich mich bedienen durfte. Und so fing ich wieder an unglaublich viel zu malen.
Achja in der Tagesklinik lernte ich auch ganz neue Skills kennen. Für die, die nicht wissen was skills sind, ist ganz einfach. Skills sind einfach Handlungen, Tätigkeiten oder Mittel die man bei innerer Anspannung, depressiven Gedanken, Panik oder Suchtdruck anwenden kann. da gibt es ganz unterschiedliche Sachen, jeder muss für sich selbst ausprobieren was einem am besten hilft. Und je nach stärke der Anspannung brauch man auch immer etwas anderes.
Bei niedriger Anspannung half mir immer Grapefruit Öl. Einfach dran riechen. Oder Igelbälle.
Bei mittlerer Anspannung half einiges. Zum Beispiel schreiben, malen, an Ammoniak riechen, Igelbälle und manchmal auch mit jemandem reden.
Bei hoher Anspannung half eigentlich nur eins: ein Finalgon Verband. Finalgon ist eine Schmerzsalbe, die unglaublich heiß wird. Wenn man diese auf den Unterarm aufträgt, wo die Haut sehr dünn ist und mit der Creme n nicht spart wird das heiße zu einem brennenden Schmerz. Es bleiben keine Schäden und schadet einem grundsätzlich nicht. Ich mein mir war schon immer klar, dass Schmerz mir am besten bei schwierigen Situationen hilft. Also körperlicher Schmerz...daher griff ich ja auch zur Rasierklinge.
Nach Weinachten ließ ich mir dann ein weiteres Tattoo stechen. Einen Schmetterling wo der eine Flügel aus Blümchen bestand. Ich wollte schon immer einen Schmetterling da ich dieses Tier mit Freiheit und Leichtigkeit verbinde. Die Blumen stehen für mich für Schönheit. Schönheit in jeglichem Sinne wie man es nur Interpretieren kann. Und zusammen war es DAS Ideal was ich mir für mein Leben wünschte. Mein großes Ziel. Frei sein, Leichtigkeit im Leben verspüren und von innen & außen schön sein & mich auch so fühlen. Sprich mich in meiner eigenen Haut wohl fühlen.
So krass es auch klingen mag aber ich bin der festen Überzeugung, dass meine zwei kleinen Neffen mich am Leben hielten. AUs dem einfachen Grund weil sie da waren. Ich ihre Liebe spüren konnte, sie zum lachen bringen konnte und ich war natürlich auch von allem abgelenkt was mir böses wollte. Sie sind noch unschuldig und rein und haben noch ihr ganzes leben vor sich. Diese zwei kleinen Mäuse sind glücklich und ich bin ein Teil davon.Ich konnte Menschen kaum noch ertragen...bei Familientreffen zog ich mich sehr früh zurück. Ich hielt es irgendwie nicht aus. Alles überforderte mich. Die vielen Stimmen, die Lautstärke, die Themen, das Prinzip einer Familie. Hin und wieder dachte ich auch einfach, dass ich dieses glückliche Familienleben einfach nicht verdient hätte. Ich hatte so vielen Leid zugefügt, war egoistisch und Selbstsüchtig gewesen und jetzt Wander ich von einer Therapie zur nächsten. Ich bin eine Enttäuschung also wieso sollte ich das alles, wieso sollte ich diese Familie verdient haben...Also zog ich mich zurück. Ich zog mich zurück weil ich achte allen einen Gefallen zu tun. Ich zog mich zurück weil ich überfordert war mit einfach allem. Ich wollte einfach meine Ruhe und allein sein. Manchmal traute ich mich wieder zurück aber auch nicht lange. Irgendwann kamen diese Gedanken garnicht mehr sondern einfach das Gefühl erdrückt zu werden wenn ich bleiben würde...
Naja und dann kam der Tag vor dem ich die ganze Zeit Angst hatte, meine Entlassung. Wieder mal eine Entlassung...
Jedoch sollte ich ungefähr alle zwei Wochen bei dem leitenden Arzt/Psychater ein Termin machen um mein Rezept für meine Medikamente zu bekommen und um zu besprechen wies mir so ging.
Auch zu dem Psychologen sollte ich noch so lange weiter gehen bis ich einen eigenen außerhalb gefunden hatte.
So und im nächsten Post gehts weiter. Alles in einem Post zu packen wäre viel zu viel.
Der nächste Post wird sich hauptsächlich um die Ergotherapie & meine Zukunftspläne handeln, darunter zählt auch der Entschluss eine Langzeittherapie zu machen.
Tanja
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