Willkommen bei der Abteilung Sucht

Bevor ich nun weiter erzähle was nach meiner Entlassung von der My Way Betty Ford Klinik geschah, möchte ich zuerst noch ein anderes Thema ansprechen.
Und das ist das Thema SUCHT.

Sucht

Das Thema Sucht ist unglaublich komplex und doch irgendwie auch simpel. Viel zu wenige Menschen haben auch nur eine leiseste Ahnung was es wirklich bedeutet süchtig zu sein und leider wird Sucht noch immer von vielen nicht als wirkliche Krankheit angesehen.

Sucht - eine chronische Krankheit. Eine Krankheit fürs Leben. Eine Krankheit ums überleben.
„Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums."
(K. Wanke (1985): Süchtiges Verhalten. In: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.): S. 20)

Fangen wir mal damit an, dass es doch tatsächlich bei einem selber anfängt. Probiere ich es oder nicht? Es ist die Neugier die in uns geweckt wird. Wie wird es sich anfühlen? Was passiert wenn ich das nehme? Bin ich dann cool? Gehöre ich dazu? Ich will, weil alle es machen! Hilft es mir bei irgendetwas? usw.

Also ich sag mal so, die Entscheidung den ersten Schritt zu machen liegt mehr oder weniger bei einem selbst. Ich sage bewusst "mehr oder weniger" da nun mal die Neugier oder eben der Gruppenzwang die Überhand nehmen. Natürlich kann man immer nein sagen doch ich glaube wie jeder weiß, ist das nicht immer so einfach. Und da die meisten im Jugendalter mit dem Konsum beginnen, ist es noch schwieriger nein zu sagen.

So und jetzt zu dem Teil der das neugierige, einmalige ausprobieren in eine sucht verwandelt.
Am Anfang ist es tatsächlich einfach nur toll! Alles ist gut, die Welt ist in Ordnung, das Leben macht Spaß, man fühlt sich selbstbewusster, stärker, schöner usw. Nichts steht einem im Weg. Die Depression sind auf einmal weg. Alle Probleme wie in Luft aufgelöst. Beim feiern kann man so richtig abgehen usw.
Man hat sein Leben ja auch noch im Griff. Man hat noch genug Geld. Genug Freunde. Genug Vertrauen zur Familie. Alles ist in bester Ordnung. Wieso also aufhören? Wieso aufhören zu konsumieren wenn doch alles so super toll ist? Das Leben ist viel leichter und erträglicher. Das Leben macht Spaß & man bekommt alles noch auf die Kette also weshalb sollte man aufhören? Spricht doch nichts dafür!?

"Ich hab das unter Kontrolle!" - der gefährlichste und unwahrste Satz den es gibt. Natürlich ist man tatsächlich fest davon überzeugt alles unter Kontrolle zu haben Doch dem ist nicht so.
"Ich kann jederzeit aufhören, wenn ich will!" - ach wirklich? Bist du dir sicher? Und warum willst du nicht?

Der Körper hat sich so sehr an die Substanz bzw. diesen rausch-Zustand gewöhnt, dass er garnicht mehr ohne kann. Da wir jedoch denken es unter Kontrolle zu haben, kommen wir ja garnicht erst in den Entzug, da wir ja nicht aufhören. Wir bemerken garnicht, dass unser Körper schon längst abhängig ist. Erstaunlicherweise ist die psychische Abhängigkeit schon entstanden nach dem ersten mal probieren. Also ich nenne es mal Psychische Abhängigkeit Phase 1.
HÄ? NEIN! NIEMALS! SO SCHNELL GEHT DAS NICHT!
Ach nein? Und wieso setzt du den Konsum dann weiter fort? Wieso nimmst du es dann nochmal?
Ganz einfach, weil es geil war. Also...unser Kopf weiß also nun, dass es geil war und wir hätten bock auf noch einmal. Gleichzeitig gaukelt unser Kopf uns aber auch vor, dass wir es unter Kontrolle haben. Und nur mal so, dieser Zwischenraum von dem 1. Konsum und dem darauffolgenden kann bei jedem ganz unterschieldich sein. Da kommt es tatsächlich darauf an in welchem Umfeld man sich aufhält und auch wie das allgemeine Wohlbefinden ist. Generell, da spielen so viele Faktoren mit.
Was machen die meisten Leute morgens nach dem Aufstehen oder auf dem Weg zur Arbeit/Schule/Uni?
Einen Kaffee trinken. Und warum? Weil sie müde sind, wach werden wollen, den Tag überstehen wollen. Jeden Morgen das gleiche. = Sucht.

So ok also wir denken wir haben alles unter Kontrolle. Bis zu dem Zeitpunkt wo wir die ersten Entzugserscheinungen bekommen. Die können kommen aufgrund von steigernder Toleranz oder weil wir länger nichts genommen hatten. Die Entzugserscheinungen können auch ganz unterschiedlich sein.

Hier kommen wir nun zur Psychischen Abhängigkeit Phase 2. Jetzt, durch den Entzug, sagt uns unser Kopf, dass wir unbedingt etwas konsumieren müssen damit es uns besser geht. Er sagt uns, dass wir diese Substanzen einfach brauchen um zu überleben. 

"Ohne geht es nicht. Du merkst doch selber, dass es dir scheiße geht. Und warum? Na weil du ewig nix konsumiert hast/weil du zu wenig konsumierst. Nimm jetzt endlich was sonst wird es dir in ein paar Stunden so scheiße gehen, dass du garnichts mehr hinbekommst und alles nur noch scheiße ist."

Und da wir unserem Kopf glauben und wir natürlich aus dem Entzug raus wollen, konsumieren wir. Erstaunlicherweise wissen wir oft nicht bewusst, dass wir uns im Entzug befinden. Uns gehts halt dreckig und der einzige Weg dass es uns wieder besser geht sind die Drogen.

Sobald dieses Szenario aufgetreten ist, ist es schon zu spät. Das ist auch der Wendepunkt. Von da an ist es nicht immer so super. Horrortrips, Abstürze und Überdosen häufen sich nun. Durch die steigernde Toleranz wird nun auch mehr Geld gefordert. Man konsumiert nicht nur mehr sondern auch häufiger. Irgendwann ist es so weit, dass man 24/7 irgendwas intus haben muss um zu funktionieren. Hat man das nicht gehts einem so schrecklich scheiße, dass jede Hoffnung, jede Zuversicht einfach dahin schwindet. Psychisch wird man nur noch depressiver als man es je zuvor war und auch der Körper funktioniert nicht mehr so. Der Körper ist schwach und überanstrengt und funktioniert nur mit Dope.

Unser Unterbewusstsein weiß schon lange bescheid, doch so bewusst sind wir uns der Lage immer noch nicht. Wir wissen, dass wir die Drogen brauchen um zu funktionieren doch wir sind uns immer noch nicht bewusst, dass wir süchtig sind.

Wir sind darauf fixiert immer Stoff da zu haben. Wir vernachlässigen unsere Familie und Freunde. Wir werden egoistisch, unsensibel, stumpfen ab. Wir sind nur daran interessiert irgendwie zu überleben. Natürlich gehen wir trotzdem mit Freunden feiern oder lernen neue Leute kennen, haben trotzdem auch Spaß und und und. Doch mal ehrlich, wenns hart auf hart kommt, wofür entscheiden wir uns?

Auch andere Pflichten, wie der Haushalt, unser Essverhalten, unser Beruf usw. leiden darunter. Irgendwie ist aufräumen und putzen nicht mehr so wichtig. Ist nur anstrengend und wir fühlen uns doch auch so wohl. Hunger ist uns mittlerweile auch ein Fremdwort und unser Beruf, die Schule oder die Uni nicht mehr so wichtig. Wir sehen die Zukunft nicht mehr und daher auch keinen Sinn darin etwas zu tun, was uns in Zukunft voran bringt. Zukunft, was ist das überhaupt????

Da wir ja mehr Geld benötigen fangen wir an zu klauen und zu lügen. Wir betrügen unsere Mitmenschen um an das zu kommen was wir wollen/brauchen. Ganz egal was es für Konsequenzen mit sich bringt. Wir können uns die Konsequenzen ja teilweise nicht mal vorstellen bzw. oft verdrängen wir sie auch so weit, dass wir bloß kein schlechtes Gewissen bekommen können.                                        Im Fokus, an oberster Stelle, an höchster Priorität steht die Substanz. Denn nur mit der Substanz können wir leben/überleben. Alles andere um uns herum ist wie ein Nebel-Schleier. Wir sehen nicht mehr das gute bzw. was richtig und falsch ist. Fakt ist, wenn wir bestimmte Sachen nicht machen gehts uns scheiße, so richtig scheiße. Und wer will das schon. Wir verletzen unsere eigenen Prinzipien und hintergehen uns selbst.

Spricht uns jemand auf die Sucht an, werden wir pampig, unfreundlich, respektlos, fühlen uns angegriffen. Es fühlt sich an wie ein Vertrauensmissbrauch, wie als würde man uns hintergehen. Wir kann man uns sowas unterstellen? Sind denn alle bescheuert? Sind alle verrückt geworden? Ich lass mir nichts sagen! Ich lass mir nichts einreden!

Und so verliert man Freunde und vielleicht auch Familie. Wir können einfach nicht verstehen. Wir können nicht sehen was die anderen sehen. Wir befinden uns in unserer ganz eigenen Welt. Wie schon gesagt, um uns herum ist ein Nebel-Schleier. Dieser Nebel hält uns von der Realität fern. Unsere Wahrnehmung, unsere Realität ist ganz anders als die der nüchternen Gesellschaft.

Ja und dann wäre da ja auch noch die Hoffnung. Die Hoffnung, dass es wieder so schön wird wie am Anfang. Die Hoffnung, dass alles wieder gut wird.

Dann nach geraumer Zeit tritt der Punkt ein, wo wir selber realisieren, dass wir süchtig sind. Wir verstehen jetzt, dass unser Kopf und unser Körper ohne Drogen einfach nicht mehr kann.
Bei manchen ist das der Punkt wo sie in Entgiftung gehen, in Therapie gehen oder sich erstmal anderweitig Hilfe suchen. Doch bei den meisten ist das einfach nur der Punkt der Realisation.

Doch wieso wird dann weiter konsumiert?

- Fortsetzung folgt -

Tanja


Kommentare

Beliebte Posts