Einzug in die My Way Betty Ford Klinik

27. Januar 2020.

Ich stand recht früh auf. Meine Sachen waren gepackt naja bzw. ich hatte ja nicht viel dabei. Habe ja nicht damit gerechnet, dass ich so lange weg bleiben würde. 

Bis 11 Uhr musste ich in der Klinik sein. Um 9:30 Uhr circa fuhren wir los. Auf nach Bad Brückenau.

Ich fühlte mich nicht besonders gut. Ich war sehr schwach durch den Entzug, zurückhaltend und irgendwie traurig. Ich fühlte mich so schwer und die ganze Autofahrt war ich in Gedanken versunken. Ich war auch unglaublich nervös. Was würde mich dort erwarten? Wie wird es mir ergehen? Werde ich schnell Anschluss finden? usw.

Der Abschied von meinen Eltern war für mich tatsächlich recht schwer. Sie waren ja nicht weit weg und könnten mich jederzeit besuchen, zudem gab es ja auch Handys, doch irgendwie war es trotzdem schwer. Der Abschied bedeutete nämlich auch, dass ich mich nun all meinen Problemen stellen musste und an mir arbeiten musste. Und das in einem vollkommen fremden Umfeld mit vollkommen fremden Menschen. Durch die Paranoia kamen mir die ersten Tage wirklich so Gedanken wie: "Einmal hier drin, nie wieder raus. Ich bin gefangen. Ich werde beobachten durch Kameras etc. Ich bin ein Experiment. Placebo Medikamente. Eigentlich ist das hier ne Sekte, die halten nur den Schein vom guten äußeren." Lauter solche Sachen. Ich war jedem gegenüber misstrauisch und extrem zurückhaltend. Nur zum rauchen verließ ich mein Zimmer. Ansonsten war ich auf meinem Zimmer, zeichnete, las oder saß einfach nur da. Ich probierte mich im Bereich Meditation aus. Ich ging auch nicht zum essen. Ich hatte kein Hunger und auch kein Bedürfnis mir irgendwelche Lebensmittel rein zu fahren. An Flüssigkeit nahm ich nur stilles Wasser zu mir. Am Tag vielleicht einen kleinen Multivitaminsaft aber mehr auch nicht.                                           Ich fühlte mich zunehmend schwächer, was ja logisch war da ich ja nichts aß.

Die ersten Tage passierte an sich auch nicht viel. Ich hatte Arztgespräche, Visiten, usw. In der Gruppentherapie saß ich eigentlich nur da. Ich beteiligte mich nicht und hörte eigentlich auch nicht wirklich zu. Im Einzel-Therapie-Gespräch konnte ich mich jedoch etwas öffnen. So kam es dann auch, dass ich recht schnell auf Medikamente eingestellt wurde. Medikamente die mir bei meiner Psychose helfen sollten. Medikamente die meine Depressionen erträglicher machen sollten. Medikamente die mir bei meiner Schlafstörung helfen sollten. Medikamente die meinen Appetit wieder anregen sollten. Medikamente die mir bei meinem allgemeinem Wohlbefinden helfen sollten.

So viele Medikamente.

Zunächst halfen sie tatsächlich. Nach drei Tagen ohne feste Nahrung traute ich mich doch mal Mittags in den Speisesaal. Ich aß kaum, nicht mal eine halbe Portion aber ich aß wenigstens etwas. Von Tag zu Tag stieg nun mein Appetit. dadurch hatte ich nun auch Tagsüber wieder mehr Kraft und Energie. Frühstücken ging ich noch immer nicht aber ich trank morgens immer 1-2 Tassen Kaffe bzw. Cappucino.

Die Stimmen und Schatten wurden immer leiser und kleiner. Auch alle anderen Symptome welche durch die Psychose kamen wurden schwächer. Die Medikamente wurden alle paar Tage immer höher dosiert. Solange bis halt die richtige Dosierung gefunden war.

Die Schatten waren als erstes verschwunden. Danach gingen die Stimmen. Die Stimmen hielten jedoch noch sehr lange an. Die körperlichen Symptome wie das heraustreten meines Körpers, mich aus der Vogel-Perspektive betrachten, meinen Körper als nicht meinen Körper wahrnehmen usw. gingen zum Schluss. Es dauerte einige Wochen bis es so weit war.

Je mehr von der Psychose verschwand, desto offener wurde ich. Ich fing an mich mit Mitpatienten zu unterhalten. Mit einigen Verstand ich mich sogar sehr gut. Ich nahm wieder am sozialen Leben teil. Das ein oder andere mal ging ich nun auch spazieren oder in die Stadt. In der Gruppentherapie war ich zwar immer noch sehr still doch ich fing an zu zuhören und hin und wieder brachte ich ein Kommentar. Die Einzel-Sitzungen wurden jedoch durch meine immer größer werdende offene-art immer anstrengender. Ich wurde 4x die Woche direkt und ganz persönlich von meinen Problemen, Ängsten & Zweifelt Konfrontiert. Ich musste nun meiner Vergangenheit gegenüber treten.                                                                              Meine Therapeutin war perfekt für mich. Ich fühlte mich absolut wohl & sicher. Ich wusste ich konnte ihr Vertrauen. Sie nahm mich ernst und ich hatte wirklich das Gefühl, dass sie mir helfen wollte. Und das tat sie im Endeffekt ja auch.

Schließlich stellte sie mir die Frage aller Fragen. "Möchtest du die nächsten Wochen eine Traumatherapie machen?" Ich entschied mich dafür.

Die folgenden 5 Wochen oder so waren unglaublich Kräfte-ziehend. nach jeder Einzel-Sitzung musste ich erstmal mind. ne Stunde schlafen. Allgemein mein Tagesablauf war nun sehr vollgepackt mit ganz unterschiedlichen Programm punkten. Von Einzel & Gruppen Therapie über Kunsttherapie bis zur Sporttherapie. Selbst am Wochenende gab es Programm. Es gab auch sowas wie info-Veranstaltungen oder os ne art Lehrgänge. Alles mögliche. Natürlich hatten ich auch Freizeit aber im großen und ganzen auch viel Programm. Was wirklich gut war, denn den ganzen Tag nichts zu tun zu haben verleitet nun mal unglaublich schnell zu nem Rückfall.

Ich hatte einige wirklich tiefsinnige und inspirierende Gespräche mit anderen Patienten.                            Doch es wurde auch viel gelacht. Abends saßen wir alle zusammen im Raucherhäuschen auf der Dachterrasse, Heizstrahler an, Decken über den Beinen und ein Tee/Kakao/Kaffee in der Hand und erzählten uns gegenseitig alle möglichen Gesichten aus unseren Leben. Dabei kamen die verschiedensten und verrücktesten Gespräche zustande. Manchmal saßen wir auch für einige Minuten nur still da und hörten Musik. Manchmal sangen wir auch lautstark mit.                                                                          Wenn das Wetter einigermaßen gut war gingen wir auch mal in einer kleinen Gruppe spazieren. Einmal sind wir nach Bad-Kissingen ins Kino oder wir sind zusammen einkaufen gegangen. Den ein oder anderen Abend gingen wir auch zusammen essen. Probierten mehrere Restaurants aus, feierten den ein oder anderen Abschied oder Geburtstag.

Ich fühlte aufeinmal wieder Zufriedenheit und Glück in mir. Ich fühlte mich wohl. Ich fühlte mich sicher und verstanden. Natürlich halfen die Medikamente auch dabei, dass ich nicht mehr so depressiv und zurückgezogen war aber das war mir egal. Ich konnte wieder positive Gefühle empfinden. Ich fühlte mich normal. Logisch, hin und wieder ging es mir auch mal nicht so gut aber es war nichts vergleichbares zu dem was ich schon durchlebt hatte. Die Klinik wurde zu einem richtigen zuhause. Zu meinem zuhause.

Das schönste aber war, dass ich wieder zu mir selbst gefunden habe. Ich habe erkannt welche Fehler ich begangen habe und ich habe gelernt diese so hinzunehmen. Ich bekämpfte meine Traumata und wurde von Tag zu Tag stärker. Ich empfand Freude und malte mir meine Zukunft aus. Ich setzte mir wieder Ziele, malte wieder öfter und fing auch an wieder zu schreiben. Ich fing an, an meinem Buch zu schreiben. Es ist bis heute nicht fertig und ich weiß nicht ob es jemals fertig wird aber für die Zeit hat es mir Halt gegeben, genau so wie dieser Blog hier jetzt.

Auch die Bindung zu meiner Familie spürte ich nun wieder deutlicher. Ich war nun einfach offener und auch ehrlich zu meiner Familie. Ich nahm mir Zeit für mich und ich nahm mir Zeit für meine Familie. Ich las auch unglaublich viel, bestellte mir tausend Bücher. Alle irgendwie so Selbsthilfe Bücher. Es waren nicht alle Bücher spannend oder besonders gut aber in gewisser Weise waren sie dann doch irgendwo hilfreich.

Ich lernte mich selbst neu kennen.

- Fortsetzung folgt -

Tanja


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