Der Weg zurück zu meinem wahren und ehrlichen lächeln.

Aber was genau war denn jetzt anders?

Wie ja schon gesagt, befasste ich mich sehr viel mit mir selbst. Durch viel lesen, schreiben und malen fand ich wieder Freude. Es machte mir spaß meine Kreativität auszuleben und auch für mich was raus mitzunehmen. Auch Spaziergänge bereicherten mein Leben. Ich nahm meine Umgebung ganz bewusst war. Atmete die frische Luft ein und genoss die Natur. Vorher hatte ich meine Umgebung und besonders die Natur garnicht so bewusst wahrgenommen. Sie war halt immer da gewesen.

Ich erinnere mich noch an die unterschiedlichsten Gefühle die ich bei meinen Spaziergängen hatte. Besonders einprägend war für mich der Wald. Bei meinen ersten Ausgängen wirkte er so bedrohlich auf mich. So dunkel und furchteinflößend, doch mit der Zeit wurde er heller und friedlicher.

Ich fand auch wieder den Weg ins Fitnessstudio nur diesmal aus einer ganz anderen Motivation heraus. Ich wollte nicht abnehmen oder wieder diesen Fitness-Lifestyle. Ich wollte wieder körperlich fit sein, etwas für mich tun. Das ein oder andere mal ging ich auch schwimmen oder in die Sauna.                 Grundsätzlich kümmerte ich mich einfach um mich selbst, indem ich mir gutes tat. Ich hörte auf meinen Körper, was er brauchte, wie er sich anfühlte und was jetzt gut tun würde.

Jedoch kamen dann wieder Tage wo es mir nicht so gut ging und ich alles in Frage stellte. Mir kamen Zweifel auf, ob ich es den jemals zu meinen Zielen schaffen würde, ob ich jemals wieder zu mir selbst finden würde. Das ging einige Tage so. Ich zog mich komplett zurück, war nur noch zum essen und rauchen zu sehen. Während den Gruppentherapien ging ich meistens zwischendrin raus weil es mir so elendig ging. Und so kam es, dass ich mich so einsam und verzweifelt fühlte, dass ich zur Rasierklinge griff. Ich weinte und schluchzte und die Rasierklinge war mein einziger Ausweg aus meiner miesere. Als das Blut meinen Arm runter lief, keine einzige Träne mehr aus mir rauskam und ich nichts weiter als vollkommene leere & Taubheit spürte, stand ich also auf, wusch mein Arm, legte etwas Klopapier darüber und ging eine rauchen. So als wenn nichts passiert wäre. So als wenn alles ok wäre. Doch dann spürte ich diesen Dämon wieder in mir hochkommen und ich entschloss mich zu den Krankenschwestern zu gehen und mit jemandem zu reden. Das tat ich dann auch. Man hörte mir zu, verband mein Arm und schickte mich noch zum Diensthabenden Arzt. Mit dem sprach ich dann auch kurz, brachte nur meiner Meinung nach nicht viel. Kurz danach war ich wieder auf meinem Zimmer. Ich war total erschöpft und wollte einfach nur noch schlafen.                  

Die Tage darauf ging es mir wieder besser. Ich hatte mit meiner Therapeutin darüber gesprochen und naja irgendwie waren diese negativen, unangenehmen Gefühlen einfach verflogen.

Mit einer Mitpatientin, die nur ein paar Jahre älter war, verstand ich mich wirklich sehr gut. An dem einen Tag fuhren wir zusammen mit dem Bus in die "Stadt" um ein paar Sachen einzukaufen. Anschließend setzten wir uns noch in ein Café, aßen Kuchen und tranken Latte Macchiato. Dabei hatten wir die tiefsinnigsten Gesprächsthemen. Wir erzählten uns mehr voneinander.                                                        Als wir wieder in der Klinik waren druckten wir uns Mandalas aus und setzten uns dann Abends hin und malten diese aus. Sie malte einen Elefanten und ich eine Schildkröte aus. Es war unglaublich harmonisch und beruhigend. Währenddessen unterhielten wir uns und manchmal schwiegen wir auch einfach. Es war wahnsinnig entspannend, weshalb ich die darauffolgendenen Tage immer wieder Mandalas ausmalte. Besonders dann wenn ich die allbekannte leere in mir spürte.

Der Suchtdruck wurde weniger bzw. er wurde halt erträglicher. Ich hatte nun eine skills an die Hand bekommen wie ich mich ablenken konnte und ich war ja in einem geschützten Rahmen. Ich konnte jederzeit mit jemandem reden.

An den Wochenenden waren meist Vorträge von Leuten ausserhaus. So lernte ich auch Narcotics Anonymus kennen. Ca. ein halbes Jahr nach meinem Aufenthalt in der Betty ging ich dann tatsächlich zu dieser Selbsthilfegruppe. Aber auch andere Vorträge wurden, meist Sonntags, gehalten. Ich erinnere mich an diesen einen Mann, dessen Namen ich vergessen habe aber sein Gesicht und seine Geschichte nicht. Er berichtete von seiner Drogenkarriere. Generell von seinem Leben, sonder Kindheit bis heute. Seine Up und Downs und natürlich auch wie er es schließlich da raus geschafft hatte. Es war so unglaublich inspirierend, dass ich nun umso motivierter war es auch zu schaffen. Ich wollte auch später mal über mein Leben erzählen und berichten können wie ich es geschafft habe & stolz zu erzählen was ich erreicht habe. Ich wollte auch ein Vorbild sein.

In den einzel Therapie Stunden gab es immer weniger Gesprächsthemen. Mir ging es zunehmend so viel besser, dass ich kaum noch was zu besprechen hatte. Natürlich gab es die ein oder andere Sache aber im großen und ganzen machte ich einfach einen guten Eindruck. Nicht nur meiner Therapeutin gegenüber sondern auch mir. Ich fühlte mich einfach bereit wieder in das Leben, in die Realität zurück zu kehren.

Ich muss sagen, es fühlte sich alles so unwirklich an. Also dass es mir so gut ging. Es war wie ein ewig andauernder Rausch. Ich war so voller Euphorie und Motivation und nichts konnte mir das abschlagen.

Anfang-Mitte März wurde das Wetter zunehmend besser. Es regnete weniger und die Sonne schien öfter. Auch die Temparutern wurden angenehmer. Vormittags setzte ich mich meist raus auf die Dachterrasse, in die Sonne und las ein Buch. Ich genoss die wärmenden Sonnenstrahlen. Mir ging es einfach gut.

Da das Wetter nun so gut war fingen wir an draußen Volleyball oder Badminton zu spielen. Wir lachten so viel und hatten allesamt solch eine Freude. An manchen Tagen liehen wir uns auch ein Fahrrad aus und fuhren durch die Gegend. Machten richtige Touren.

Ich lernte die Freude, meine Freude, ganz neu kennen. Ich verstand nun, dass es so viele dinge im Leben gibt die einem Freude bereiten können und oft sind es tatsächlich die ganz kleinen dinge wie eben gutes Wetter.

Ich fand mein lächeln wieder.

Und dann kam der Tag auf den ich mich so sehr gefreut hatte. 23. März 2020. Tanja wird aus der My Way Betty Ford entlassen.

Ich hatte großen Respekt vor dem Tag. Ich wusste nicht wie es sein würde jetzt wieder im richtigen Leben anzukommen. Ich wusste nicht was mich erwartete. Doch ich war motiviert mein Leben ganz neu und vor allem nüchtern zu gestalten.

- Fortsetzung folgt -

Tanja

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