Drogen - warum konsumiert man? Warum hört man nicht "einfach" auf? Warum wird der Konsum fortgesetzt?

Ich bin mittlerweile ein wirklich sehr reflektierter Mensch, würde ich jetzt mal so behaupten. Ich setze mich sehr viel und bewusst mit meiner Vergangenheit auseinander. So kann ich geschehenes verstehen und verarbeiten.

Ich weiß, dass für einige Menschen ziemlich unklar ist wieso ein Drogen-Konsum fortgesetzt wird wenn es einem doch dabei so schlecht geht, wenn man nicht mehr gepflegt ist, wenn man nichts alltägliches mehr auf die Kette bekommt usw. Allgemein das Thema Sucht ist für viele sehr unverständlich aber das ist auch okay. Ich kann niemandem übelnehmen sich über eine Krankheit nicht auszukennen wenn derjenige keinerlei Berührung damit hat/hatte. Es ist ja gut dass derjenige nicht damit in Berührung kam ABER und das ist jetzt wichtig - gilt nicht nur für das Thema Sucht - Wenn du keine Ahnung hast, dann halt auch deine verdammte Klappe, es sei denn du willst lernen.

Aber hey ich kann dich jetzt erstmal beruhigen, ich werd jetzt kein fachlichen, langweiligen Infopost schreiben. Die ganzen Ärzte und Therapeuten kennen doch auch nur die Theorie.

Hier mal ein Einblick in den Kopf eines Drogensüchtigen:

Um vorab auch mal eins klar zu stellen, das ist für viele nämlich auch sehr unverständlich: wenn es mir scheiße geht dann konsumiere ich um mich besser zu fühlen. Wenn es mir sehr gut geht konsumiere ich damit es mir noch viel viel besser geht. UND der erste Zug am Joint, die erste Pille XTC, der erste Pilz, die erste Nase Koks oder Meth...die entstehen aus reiner Neugier. Ich will mal ausprobieren, will mal gucken was das für ein feeling ist, gibt mir der Rausch irgendwas und und und. Doch bevor man sich umgucken kann ist man schon voll druff. - Ja es gibt durchaus Menschen, bei denen das nicht so ist. Die den Konsum Unterkontrolle haben können, die Party-Konsumenten, so wie die gelegnheits / Party Raucher. - Man muss auch leider leider dazu sagen, dass die Freunde und der Bekanntenkreis eine große Rolle dabei spielen. Wird in der Clique konsumiert naja dann ist es schwer als einziger clean zu bleiben. Man lässt sich viel zu schnell mitreißen. Wie gesagt am Anfang ist es eben die Neugier die einen verleiten lässt und dann liegt es aber an einem selbst, bleibt man in solchen Kreisen oder entfernt man sich. Meistens bleibt man, der Rausch war ja super, die Leute sind cool, wieso soll ich es mir schwer machen und jetzt gehen? Wer weiß wann ich wieder so coole Freunde finde. Mensch = Gewohnheitstier. Mensch ist faul, Mensch will da bleiben wo schön gemütlich, anstrengungslos, bekannt, wohlfühlen. Ganz einfach.

Naja gut jetzt hat man es halt mehrmals ausprobiert aber was jetzt? Reicht das nicht?

Natürlich kann man mir jetzt ankommen mit dem ganzen Prozess der dabei im Gehirn erfolgt und sowas aber was soll ich da groß zu sagen? Wenn du darüber was wissen willst musste googeln.

Mir gehts scheiße also konsumiere ich damit es mir besser geht.

Viel muss ich dazu ja nicht sagen. Der Rausch zustand ist ein Zustand ganz fern von jeglichen Problemen und Leiden, weit ab von der Realität. Ich kann vergessen. Ich kann abschalten, komme endlich zur Ruhe, zur inneren Ruhe. Kein Stress, kein Druck, keine Verantwortung, nix einfach alles egal. Scheiß egal. Klar wenn man tagsüber bzw. nüchtern so viel Stress und Druck hat (evtl. auch Stress & Druck den man sich selbst macht) depressiv ist, mit Traumata zu kämpfen hat oder was weiß ich für Probleme hat...wie soll man da bitte zur Ruhe kommen? Der Kopf, die Gedanken machen keine Pause. Ja im Rausch-Zustand werden auch so ziemlich alle unangenehmen Gefühle betäubt. Man fühlt sich dann halt einfach gut. Es ist alles super und man weiß das Leben auch wieder zu schätzen. Bei manchen Drogen hatte ich die tollsten Ideen zum schreiben oder malen/zeichnen. Auch die Gespräche mit anderen sind gaaaanz anders. Viel tiefsinniger, intensiver, spannender. Man spricht eben auf einer ganz anderen Ebene. Das Selbstbewusst sein steigt enorm womit man sich logischerweise auch gleich viel besser fühlt. Ich kam mir immer so unbesiegbar vor. Keiner konnte mir was anhaben, ich war die stärkste! Wirklich tolle Gefühle. Ja so generell man kommt halt auf ganz andere Ideen. Ganz andere Ideen was man machen könnte, über was man sich unterhalten könnte, wo man hingehen könnte usw. Diese art von Zustand bekommst du leider nur von Drogen. Es gibt nichts auf der Welt was du damit vergleichen kannst, was ansatzweise da heran kommt. Gibts einfach nicht. Wieso sollte ich mit etwas aufhören was mir ein so positives Gefühl gibt wie sonst nichts anderes auf der Welt?

Mir gehts sehr gut also konsumiere ich damit es mir noch viel viel besser geht.

Mir gehts super, ich bin glücklich, hab gute Laune, bin motiviert alles super. Aber es reicht nicht bzw. warum es nicht noch ein Level höher setzen? Voll bock auf Party, hübsch machen, mit Freunden tanzen usw. Klar wenn dann noch ein bisschen XTC oder Koks dabei ist, machts doch noch mehr Spaß. Und eins sag ich dir, diesen extremen Kick kann dir auch wieder nichts anderes auf der Welt geben. Ich habe schon festgestellt dass das bei so ziemlich allen abhängigen so ist, dass man immer noch einen draufsetzen will. Immer noch mehr und noch besser und noch geiler, NOCH MEHR! Man verliert sein eigenes Limit aus den Augen weil man so besessen davon ist sich immer wieder, immer weiter einen noch größeren Kick zu beschaffen. Manchmal klappt das super und manchmal gehts nach hinten los. Aber warum nicht aufhören wenns doch so super geil schon ist? Ja...das ist wirklich schwer zu erklären. Ich mein, es könnte ja noch besser werden. Gegenfrage, warum trinkt man im Club oder auf Festen nicht nur ein oder zwei Drinks, warum denn immer so viel? Reicht bisschen angetrunken nicht auch? Da fühlt man sich doch auch schon super. JA aber es reicht nicht man will einfach mehr. Oft ist es ja auch so dass man mal einen so geilen Trip hatte, meistens einer der ersten, dass man den wieder haben will. Nur leider wird man ihn nie bekommen. Die super Trips die man am Anfang hatte wird man nie wieder bekommen, geht einfach nicht. Aber man hat natürlich Hoffnung, dass es vielleicht doch so ist.

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Sucht ist ein komplexes Thema aber ich würd jetzt mal einfach sagen dass Hoffnung dabei IMMER eine Rolle spielt. Man hat Hoffnung dass es einem besser geht, dass man neue Freunde findet, man keine Probleme mehr hat (vorübergehend), dass man noch glücklicher wird, dass man noch viel mehr Spaß hat. Man hat Hoffnung dass sich egal wie der Ursprungszustand war, sich der Zustand durch den Rausch nochmal verbessert.

So nun aber dazu, dass irgendwann die Horrortrips und Abstürze überwiegen. Das Leben läuft aus dem Ruder, man hat kaum noch Kraft, kann sich nicht mehr so richtig konzentrieren, hat ja eh kein Bock mehr auf nix, Geldsorgen usw. Wieso dann nicht einfach aufhören und clean werden. In ne Entzugsklinik und dann Therapie? Ich sags nochmal: HOFFNUNG. Hoffnung, dass es doch wieder so wird wie am Anfang. Und natürlich auch der feste glaube daran, dass es ohne einfach nicht mehr geht.

Mir ging es nüchtern zunehmend schlechter und schlechter. Meine Psyche war ja schon vorher am Arsch gewesen aber jetzt wars kurz vorm totalen Zusammenbruch. Ich war verzweifelt und hilflos, hatte niemanden mehr (so dachte ich). Ich hatte einfach keine Kraft aber ich kannte ein Mittel, dass mir vorübergehend genug Kraft gibt um zum Beispiel duschen zu gehen, aufzuräumen, einkaufen zu gehen, zu lachen, gute Erinnerungen zuerschaffen...und das waren die Drogen. Die Rauschzustände verfielen immer schneller und ich musste immer öfter nachlegen, mehr Geld, mehr Drogen, mehr Zeit, mehr Kraft...

So traurig es auch ist aber es ist tatsächlich so...Dir muss etwas richtig krass traumatisches passieren bevor du überhaupt eine Chance auf "den Willen clean zu werden" hast. Du musst schon mit einem Bein im Abgrund stecken bevor du checkst dass es so nicht weiter geht. Und dann hast du genau zwei Möglichkeiten: entweder du bewegst dein Arsch und kümmerst dich selbst drum aus deinem Leben noch was zu machen oder aber du gibst ein fick drauf, machst weiter und riskierst den Tod bzw. bringst dich bewusst um. Nur mal so nebenbei, in diesem Falle, trotzdem weiter zu machen weil is ja eh alles scheiß egal ist würde ich auch schon Selbstmord nennen. Viel langsamer und qualvoller jedoch. Also so seh ich das. Wenn du über den Punkt trittst wo du realisierst du musst da raus sonst bist du Tod und du entscheidest dich trotzdem für den Konsum, dann bleibt kaum noch Hoffnung. Und wenn mir jetzt jemand kommt von wegen, ja aber dem und dem war es doch schon lange bewusst und bla bla bla aber er/sie konnte einfach nicht aufhören usw. DANN WAR ES NICHT SCHLIMM GENUG, DANN WAR DAS NICHT DER PUNKT VON DEM ICH SPRECHE.

Jeder Mensch tickt anders und hat ein anderes empfinden. Für den einen ist der Verlust eines Freundes wegen einer Überdosis Grund genug aufzuhören, für den anderen ist das ein Grund erst recht loszulegen (aus Trauer, Wut, Frustration etc.). Der eine weint wenn er hinfällt, der andere steht auf und läuft weiter. Der eine brauch mehrere Stürze, bei dem anderen reicht vielleicht einer oder zwei. Jeder Mensch ist anders. Manchmal braucht man halt auch einfach Ziele, realistische, greifbare Ziele. Einen Blick in die Zukunft. Man braucht Perspektive, den Blick nach vorne und naja es ist nicht grad unüblich dass dafür ein Fremdeinwirken verantwortlich ist. Zu Beispiel ein neuer Partner, ein Kind, ein Haustier, ein Job-Angebot,  eine Person die einem zuhört und vertrauen schenkt, eine Wohnung, Lob, Aufmerksamkeit, Erfolg und jeglicher Hinsicht...

Wichtig ist zu wissen (für die Angehörigen): Du kannst nichts ändern oder erzwingen wenn die Person selbst es nicht will. Was du aber tun kannst ist die Person nicht aufgeben, an deren Seite stehen und einfach da sein.

so das wars jetzt erstmal :)

Tanja

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